Selbstüberschätzung oder reiner Gruppenzwang?

Selbstüberschätzung oder reiner Gruppenzwang?

 

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Ein Reizthema das ich hier nun aufmache, klar. Aber ich stelle unverblümt nach meiner langen Zeit zusammen mit Schlittenhunden und als Beobachter  der Schlittenhundeszene, ungeniert und frei heraus die Frage:

Leiden die meisten der Neo-Musher an Selbstüberschätzung oder haben sie einen kollektiven Gruppenzwang?

Immer wieder ist zu sehen, wie Neueinsteiger die Faszination “Schlittenhundesport” entdecken und sich in diversen Clubs und Vereinen einschreiben lassen, um dabei zu sein. Daran ist ja nichts Verwerfliches zu finden. Jeder von uns hat so angefangen. Man schnuppert herum, schaut sich alles an, lernt Menschen mit vermeintlich den gleichen Interessen kennen, und findet sich in einer großen “Familie” wieder. So weit, so gut.

Doch schon nach kurzer Zeit, meist nach wenigen Wochen, kommen die Gelüste hoch. Ein Hund reicht plötzlich nicht mehr. Man will mehr. Immerhin war man nun schon auf dem einen oder anderen Trainingslager oder Rennen, hat auch die Rennluft geschnuppert, man ist angestachelt und: Immer ist die Rede von Mitteldistanz, Longtrail, großen Teams, etc.

Man fühlt sich ja so klein neben diesen großen Mushern, die einem das alles dann in Regenbogenfarben erzählen und toll ausschmücken … der erste Weg zur Selbstüberschätzung ist, darauf zu hören und sich von diesen Geschichten aufbauen zu lassen! Man lässt die Neo-Musher an den Rennen in den Kategorien Bike, Scooter, vielleicht noch D mitfahren. Wenns geht in Klassen mit wenigen Startern, damit sich erste Erfolgserlebnisse einstellen. Bei 4 Startern und einem “DNS” ist ja leicht ein Rang 3 oder besser zu erreichen, wenn die Konkurrenz vielleicht noch einen schlechten Tag hat. Aber am Abend, wenn dann alle zusammensitzen, sich über vergangene Rennen und “Superleistungen” unterhalten, fühlen sich die Nachwuchssportler wieder ganz klein. Genau wissend, dass mit dem einen Hund, den man hat, da niemals mitgeredet werden kann. Man bleibt Außenseiter. Der Drang nach mehr wächst unvermeidlich. Die Richtung ist nun vorgegeben. Jetzt greift langsam der bewusst oder auch unbewusst ausgeübte Gruppenzwang.

Man holt sich den nächsten Hund. Man will ja endlich mal vorne mit dabei sein, und nun auch vom Neo-Musher zum geduldeten Musher aufsteigen. Es wird von den Vereinen um deren Mitgliedschaften gebuhlt. Klar. Jeder Start, jedes Mitglied, ist bares Geld. Und nur darum geht es meist. Geld und Einnahmen. Mittlerweile haben sich auch einige immer anwesende Händler – als Musher getarnt, oder auch offiziell mit Verkaufsstand – an die “Neuen” herangepirscht, und verkaufen ihnen jeden nur unnötigen Schwachsinn um an Geld zu kommen. Sei es eine Bike-Antenne oder ein Stake-Out-Bettchen für die ach so kälteempfindlichen Hunde. Egal warum, im Rausch des Schlittenhundewahns merkt nun keiner mehr, was passiert, und kauft, und kauft. Die Ausrüstung wird aufgeblasen, die Bestände aufgefüllt, niemand hinterfragt zu diesem Zeitpunkt mehr die Notwendigkeit vieler Dinge. Jetzt beginnt es auch so richtig teuer zu werden. Man ist bereits in die Falle gegangen.

Irgendwann reicht auch das nicht mehr. Wenige Monate nach dem Neueinstieg nennen viele schon 4 oder 6 Hunde ihr eigen. Man fährt bereits vorne mit, ist hochmotiviert, wird von den “Kollegen” aufgebaut und weiter getrieben. Der Bezug zu den Hunden hat sich mittlerweile geändert. Aus dem Haushund wurde nun mit all den anderen ein “Gehegehund” um nicht das Wort Zwinger zu verwenden. Die Beziehung zu den Hunden selbst ist nicht mehr so stark wie beim ersten. Man sieht sie mittlerweile schon mehr als Sportgerät statt als Familienmitglied und Freizeitpartner. Selbst merkt man auch schon, dass es eine heiden Arbeit ist, sich um so viele Hunde zu kümmern, und deswegen wird bei einigen Dingen eben Abstriche gemacht. Selbst merkt man diese Entwicklung nicht immer, sie kommt schleichend, aber sie kommt.

Futterkosten, Impfkosten, alles ist mittlerweile mehr geworden. Die Meisten sehen aber immer noch nicht, welchen Weg sie da eingeschlagen haben. Zu diesem Zeitpunkt gibt es dann die berühmten Weichen des Lebens:

  • Man merkt, was man mittlerweile auf sich bürdet und baut nicht weiter aus. Man ändert wieder seine Einstellung und wird bodenständiger.
  • Man merkt nichts, und baut weiter aus. Die schlechteste Variante, die vielmals damit endet, dass die Hunde im Tierheim landen.
  • Man schaut, dass man abbaut, die Hunde an gute Plätze vergeben kann, und besinnt sich wieder der Wurzeln.

Der wohl schlimmste Ausgang ist es, wenn dann nach 10 oder mehr Jahren die Hunde alt und krank werden. Nun geht’s so richtig ins Geld! Tierarztkosten, Spezialfutter, Medikamente, ein Schwall an Kosten kommt dann auf die Hundehalter zu. Die Hunde zu alt um zu arbeiten, sie müssen durchgefüttert werden, sie müssen behandelt werden, die eigenen finanziellen und auch mentalen Grenzen sind dann schnell erreicht. Man weiß nicht so genau, wie viele Hunde dann plötzlich “verschwinden” weil sie keinen Nutzen mehr für die “Musher” haben, doch es sind viele. Ob sie es verdient haben, ihren Lebensabend so zu verbringen? Sicher nicht!

Trotzdem denkt keiner darüber nach, was in 10 oder 15 Jahren sein wird! Niemand macht sich Gedanken darüber, dass trotz anfänglicher Euphorie auch das große Erwachen kommt! Lebensumstände können sich ändern, man kann die Arbeitsstelle verlieren, man kann selbst in große finanzielle Schwierigkeiten kommen, und was ist dann mit den Hunden?? Wer seine Hunde nur als “Hunde” oder Sportgeräte sieht, der wird mit all dem keine Schwierigkeiten haben, dann kommen sie eben weg. Doch wer zu seinen Hunden eine echte Beziehung aufbaut, der wird sich von seinen Lieblingen nie trennen! Doch was dann? Betteln? So wie es auch schon viele getan haben?

Leute, denkt doch einmal über all das nach! Setzt Euch ein Ziel, selbst, aber lasst Euch nicht immer vom kollektiven Gruppenzwang zu etwas bringen, dass Ihr dann auf Dauer nicht stemmen könnt! Schaut Euch mit offenen Augen in der Szene um, und Ihr werdet mir Recht geben müssen! Selbstüberschätzung und falscher Ehrgeiz sind der Beginn vom Leid Eurer Hunde, und auch von Euch selbst!

 

Lieber klein bleiben, dafür aber Fellfreunde fürs ganze Leben haben!

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